Die Bruckner-Orgel im Augustiner-Chorherrenstift St. Florian

 

Die Krisman-Orgel 1774

Nach Fertigstellung des prächtigen Stiftbaus im Jahre 1715 erhielt Franz Xaver Krisman (1726-1795) am 24. Februar 1770 den Auftrag für eine neue Orgel, die bereits 1774 eingeweiht werden konnte. Im Kontrakt des Stiftes mit Krisman wurde ein Instrument mit zwei Manualen und Pedal in Auftrag gegeben. Tatsächlich hatte die Orgel bei der Fertigstellung drei Manuale und ein Pedal mit 74 klingenden Registern, verteilt auf 59 Registerzüge.

Die riesige Orgel dürfte von Beginn an Probleme mit der Windversorgung gehabt haben. Ständige Arbeiten am Instrument ließen weiters den Gedanken aufkommen, dass die Orgel nicht von Krisman vollendet worden war.


Der Umbau durch Matthäus Mauracher d. Ä. von 1875

Wiederholte technische Unzulänglichkeiten führten dazu, dass das Instrument bis zur Zeit Bruckners mehrere Umbauten mit zum Teil minderwertiger Qualität über sich ergehen lassen musste. Bruckner (1824-1896) fand somit als Sängerknabe bereits eine klanglich veränderte Krisman-Orgel vor.

Eine grundsätzliche Klärung der Orgelprobleme sollten mit der Durchführung eines gründlichen Umbaus durch die Salzburger Orgelbaufirma Matthäus Mauracher (1818-1884) erfolgen.

Trotz mancher Widerstände bei den Umbauarbeiten konnte die Orgel am 18. Oktober 1875 durch Anton Bruckner und den Stiftsorganisten Joseph Seiberl (1836-1877) »unter großer Beteiligung des hohen kirchlichen und weltlichen Standes« geweiht werden.

Das ursprüngliche Konzept Matthäus Maurachers sah vor, nur noch das Orgelgehäuse und einen Großteil des Pfeifenwerkes beim Umbau wiederzuverwenden. Gemäß dem Kostenvoranschlag vom 6. Dezember 1871 sollten von den geplanten 70 klingenden Registern noch 53 aus der Vorgängerorgel übernommen und das Instrument zusätzlich um eine vierte Manualklaviatur vergrößert werden.

Tatsächlich ist im Laufe der Arbeiten die Registerzahl von 70 auf 78 klingende Stimmen erweitert worden, so dass von 78 klingenden Registern 22 zur Gänze neugebaut und 30 mit ausschließlichem Anteil von Krisman-Pfeifen - insgesamt 3729 Stück - wiederverwendet wurden.

Die von Mauracher vorgeschlagene Intonation der Register entsprach jener, die Gottlob Töpfer bereits 1833 in seinem Werk »Die Orgelbau=Kunst nach einer neuen Theorie dargestellt und auf mathematische und physikalische Grundsätze gestützt, mit vielen Tabellen über Mensur, Luftzufluß und Mündung der Pfeifen, so wie über die damit übereinstimmende Bohrung der Windladen [...] nebst einer Anweisung, wie neue Orgelwerke mit Genauigkeit probirt werden können« gefordert hatte.

Alle Windladen wurden neu gemacht. Waren die Manualwindladen noch durchwegs Schleifladen, so sind die Pedalladen bereits als Hängeventilladen ausgeführt worden.

Bald nach der Fertigstellung des Umbaues wurde aus den Reihen des Oberösterreichischen Cäcilienvereines Kritik an der Art des Umbaues laut. Johannes Evangelist Habert (1833-1896): »In wissenschaftlicher Beziehung entspricht die neue Orgel nicht den Anforderungen, welche man an sie stellen muß. (Ob es nun auch klug ist, daß andere Orgelbauer von St. Florian aus mit Steinen beworfen werden? - Die Schuld kann Niemanden treffen als den Stiftsorganisten und den Orgelbauer; denn die hätten es besser verstehen sollen.« (Johannes Evangelist Habert: Etwas über große Orgeldispositionen, in: Gmundner Wochenblatt, 26. Jg., Nr. 21, 23. Mai 1876, S. 132.)


Die »Brucknerorgel« von 1932

Aus Anlass des hundertsten Geburtstags von Anton Bruckner erging vom Bruckner-Biographen und Präsidenten der Brucknergesellschaft Max Auer (1880-1962) der Aufruf zur Wiederherstellung der großen Orgel, denn dieses »herrliche Werk [...] ist in Anbetracht des heutigen Standes der Orgelbautechnik rückständig und veraltet.«
Nach anfänglichen Schwierigkeiten wurde 1930 der Auftrag für einen generellen Umbau des Instruments an die Orgelbauer Gebrüder Mauracher in Linz sowie an die Orgelbaufirma Dreher & Flamm in Salzburg erteilt. Am 5. Mai 1932 geweiht, war die große Orgel unter Einbeziehung der Chororgeln zur Monumentalorgel mit 92 Registern und vier Manualen und Pedal geworden. Seit diesem Zeitpunkt besitzt sie den Namen Bruckner-Orgel.

Die »Chrismann-Orgel« von 1951

Unzulänglichkeiten in der technischen Ausführung, schlechtes Material sowie geringe Klangstärke ließen das nationalsozialistische Regime, das seit 1941 Herrscher über das Stift St. Florian war, den Plan für einen Umbau entwerfen. Nach intensiven Diskussionen erhielt schließlich die Orgelbaufirma Zika aus Ottensheim am 11. Februar 1943 den Auftrag zur Rekonstruktion einer barocken Orgel im Sinne des ehemaligen Krisman-Instruments.

Mechanische Schleifladen, gesteuert durch elektrische Spiel- und Registertraktur, waren zum damaligen Zeitpunkt für die Bauart von großen Schleifwindladen die einzige Möglichkeit, ein riesiges Instrument noch spielbar zu halten.
Dass die Orgel im Kern nach damaligem Verständnis auf die Krisman-Orgel zurück geführt werden konnte, ist entscheidend auf das Wirken von Josef Mertin (1904-1999) als Orgelsachverständiger des Bundesdenkmalamtes zurückzuführen.

Die letzten Kriegsjahre, die geänderte politische Situation sowie die Rückkehr der Augustiner-Chorherren in ihr Stift machten die Vollendung des Umbaues erst 1951 möglich.

Die Bruckner-Orgel besaß nun 103 Register mit vier Manualen und Pedal.

Die Restaurierung 1996

Aus Anlass des hundertsten Todestages von Anton Bruckner im Jahre 1996 wurde am 20. Januar 1992 der Auftrag für eine vollständige Instandsetzung der großen Orgel an die Oberösterreichische Orgelbauanstalt Helmut Kögler in St. Florian vergeben. Ziel der Arbeiten war die klangliche und technische Sanierung der Orgel von 1951 unter Beseitigung der im Kollaudierungsprotokoll des Jahres 1951 aufgezeigten Mängel (Austausch von drei Registern, Verbesserung der Präzision der Spieltraktur etc.). Eine neue Setzeranlage mit vier Schlüsselebenen zu je 640 Kombinationen mit Speichermedium, Aufzeichnungsgerät und weiteren Spielhilfen (General- und Einzelabsteller für die Zungenstimmenregister, Automatische Pedalumschaltung ...) wurde ergänzt.

Die Kollaudierung der Sanierungsarbeiten an der Orgel fand am 11. April 1996 und die Orgelweihe am 14. April 1996 statt.

Zu viele Änderungen an der ursprünglichen Krismanin waren im Laufe der Jahrhunderte vorgenommen worden, um sich von vornherein eindeutig für eine Restaurierung oder für einen Orgelneubau unter Verwendung von wertvollem historischen Pfeifenmaterial entscheiden zu können. Letztlich war für die Entscheidung für eine Orgelrestaurierung ausschlaggebend, dass mit der großen Stiftsorgel neben Anton Bruckner auch Augustinus Franz Kropfreiter als bedeutender österreichischer Musiker in Verbindung stand.

© Dr. Wolfgang Kreuzhuber (gekürzte Fassung des Booklet-Textes)

 

 

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Fotos: © Stift St. Florian (2,6-7,9-13,19), Günter Lade (1,3-5,8,15-18,20-30)

 

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